Alles drin in der neuen Tasche

Nach längerer Zeit habe ich mir mal wieder eine Tasche genäht. Handtasche trifft es nicht ganz, auch wenn sie genau die Funktion erfüllt, die man allgemein einer Handtasche zuschreibt. Denn es ist mehr eine Umhängetasche. Habe ich unterwegs doch lieber beide Hände frei. Und kurze Taschenriemen, die ständig von der Schulter rutschen, mag ich auch nicht so besonders. Am liebsten trage ich meine Taschen quer über dem Oberkörper, Crossbody wird das im Neudeutschen kurz und prägnant genannt.

Die neue Tasche ersetzt meine bisherige Tasche gleichen Schnitts, die so langsam an den Ecken abgewetzt ist. Kein Wunder, habe ich sie doch dem Aufnahmedatum der ersten Fotos nach vor dem September 2015 fertiggestellt und seither wirklich viel benutzt. Auch auf diverse kurze und längere Urlaubsreisen hat sie mich des Öfteren begleitet. Der Sonnenhut offensichtlich auch 😉

Warum genau dieser Schnitt?

Für die meisten Funktionen des Alltags benötige ich eine Tasche, die nicht zu klein aber auch nicht zu groß ist. Neben dem üblichen Tascheninhalt wie Geldtasche, Handy, mindestens 2 Brillenetuis, Taschentuchpackung, Powerbank, etc. sollte bei Bedarf auch schon mal ein Regenschirm oder Buch oder Strickzeug oder eine dünne Strickjacke oder mein knautschbarer Sonnenhut oder auch alles davon Platz finden. Ohne dass die Tasche gleich gar so groß wird. Im Idealfall sollte auch ein Ordner reinpassen. Bis auf letzteres ist alles mit dem gewählten Schnitt machbar. Durch die gebogene Oberkante schmiegt sie sich andererseits an den Körper, so dass sie wirklich angenehm zu tragen ist. Und ganz wichtig, die Tasche muss verschließbar sein. Durch den Zipp ist letzteres gegeben. Der Zipp ist auch lang genug, dass eine wirklich großzügige Öffnung entsteht. Nur eben gerade nicht breit genug für einen Ordner. Aber für den Fall nehme ich eh besser eine zusätzliche Umhängetasche.

All diese Kriterien habe ich für mich in der Allesdrin von farbenmix gefunden. Mir gefällt die Form und auch die Schlichtheit ohne aufgesetzte Taschen. Der Schnitt bietet 2 Größen und diverse Varianten für zusätzliche Taschen außen und innen. Die kleine Version ist für meine Bedürfnisse, wie man sieht, groß genug. Während ich außen auf zusätzliche Taschen verzichte, baue ich innen bei jeder meiner Taschen ein mit Zipp verschließbares Innenfach und mehrere Einsteckfächer ein.

Das Innenleben mit Zippfach auf der einen Seite und 3 Einsteckfächern auf der anderen Seite. Bei der neuen Tasche habe ich das Innenleben fast gleich gemacht.

Der Außenstoff der bisherigen Tasche ist ein Canvas aus der Serie Outside Oslo von Jessica Jones für The Needleshop. Den hat man bei uns so gut wie gar nicht bekommen. Zum Glück musste eine Freundin damals beruflich nach Chicago, ihr Hotel lag unweit des Needleshop, und so kam ich zu diesem und noch ein paar anderen Designs der Serie.

Auch die Nachfolgerin sollte aus einem dieser Stoffschätzchen werden. Dann aber mit etwas feuchtigkeitsundurchlässigerem Boden, damit man sie auch mal am Boden abstellen kann. Bis mir im lokalen Ledergeschäft eine ganze Haut in einer wirklich wunderbaren Farbe in einer sehr angenehmen Qualität über den Weg lief. Es hat dann trotzdem noch eine Weile gedauert, bis ich mich an den Zuschnitt machte. So eine Haut einer Ziege ist nicht gerade groß, und unregelmäßig geformt, ich habe also etwas gepuzzlet. Und noch eine zweite nachgekauft, die es zum Glück auch noch in der gleichen Farbe gab.

So bin ich vorgegangen

Mit dem Rollschneider ließ sich das Leder wie Butter schneiden. Ich habe trotzdem immer nur eine Lage zugeschnitten, indem ich das Schnittteil des Futters aufgelegt habe und rundum gefahren bin.
Um beide Taschenkörperteile aus einer Haut herauszubekommen, habe ich mich entschieden, eines der Teile zu stückeln. Ich habe mir grob überlegt, wie Lage und Winkel am besten passen, und habe dann zunächst den größeren Teil zugeschnitten, dann ein in etwa passendes Stück angenäht und erst danach das Teil fertig zugeschnitten. So blieb mir die zweite Haut, um den Träger in ganzer Länge diagonal aus der Haut zuschneiden zu können. Der Verschnitt ist groß genug, dass sich das eine oder andere kleine Täschchen noch ausgehen wird.
Und die Naht dann zu beiden Seiten der Zusammenfügenaht nochmals abgesteppt. Das Nähen des Leders war trotz Nähfuß mit Gleitsohle nicht gerade einfach, da das Leder sich nicht gut transportieren ließ. Der Industrieschnellnäher hat trotz extra Motor etwas gekämpft.
So sah das fertig abgesteppte Schnittteil dann aus.

Und als es so fertig abgesteppt vor mich lag, dachte ich mir, ein versteckter kurzer Zipp mit einer kleinen Eingrifftasche für Handy und/oder Schlüssel wäre in der Naht eine feine Idee gewesen. Und hätte der Naht eine Funktion über die reine Ziernaht hinaus gegeben. Leider zu spät, die Idee. Da man in Leder jeden Stich sieht, wollte ich nicht nachträglich trennen.

Die Futtertasche habe ich zunächst mit der normalen Nähmaschine genäht. Als erstes wurde die Zipptasche hergestellt.
Dann habe ich ein gedoppeltes Stoffstück seitlich und unten aufgenäht und Zwischennähte für 3 Einstecktaschen gemacht. Diesmal absichtlich auf der gleichen Seite wie die Zipptasche.
Den Zipp eingenäht und die Tasche zusammengesetzt habe ich dann wieder mit der Industriemaschine. Den Zipp mit den zuvor daran angenähten Distanzstücken an beiden Enden in die Rundung einnähen habe ich auf 2 Etappen gemacht, immer von der Mitte nach außen.

Dann kamen die Seitennähte, die Bodennaht und zuletzt die Ecken dran. Beim Futter das gleiche, hier allerdings mit Wendeöffnung in einer der Seitennähte.

Wie hier gut zu sehen ist, habe ich das Material nicht noch extra verstärkt. Meistens bebügle ich das Futter noch mit Volumenvlies H630 oder H640, das erschien mir bei dem Leder und der Optik, die ich erreichen wollte, als nicht notwendig. Der Futterstoff ist auch bewusst etwas dunkler gewählt, da man die Ledertasche ja nicht zum Waschen in die Waschmaschine stecken kann wie die Taschen aus nur Stoff. Deshalb, und weil die Popeline auch kaum ausfranst und die Kanten eh unsichtbar im Inneren verschwinden, habe ich auch auf ein zusätzliches Versäubern der Stoffkanten verzichtet.

Zuletzt noch den Träger absteppen. Zur Stabilisierung habe ich mehrere Steppnähte gesetzt.
Ein kurzer Riemen mit D-Ring und ein langer Riemen, der noch einen Feststeller bekommen sollte, für die andere Seite.
Und dann hatte ich ein Problem. Denn das Gesamtpaket mit den Riemen in der Öffnung für die Träger war zu dick. Die stellenweise 8 Lagen passten nicht mehr unter das Füßchen der Industriemaschnie. Was also machen?

Zum Glück gibt es in Graz noch eine Taschnerei, die auch solche Arbeiten ausführt. Da habe ich also die Tasche so wie oben gezeigt präpariert hingebracht, und ein paar Tage später mit eingenähten Riemen wieder abgeholt. Die letzte Naht zur Fixierung des Feststellers hat dann nochmal einige Zeit gedauert bis ich mich endlich drangesetzt habe. Ich habe dann zur besseren Fixierung auch gleich 3 Nähte gesetzt, und keine der Nähte ist besonders schön geworden, da das leidige Transportthema wieder zuschlug.

So sieht das jetzt aus mit Riemen und Feststeller. An der Absteppnaht entlang des Zipp und des Distanzstücks zum Riemenansatz sieht man stellenweise die Probleme mit dem Transport des etwas klebrigen Leders.

Der Zipp ist farblich leider nicht ganz Ton in Ton. Einen farblich abgestimmten Zipp hätte ich nur annähernd passend und mit Kunststoffraupe bekommen. Ich habe mir aber Metall eingebildet. Und dann habe ich mich erinnert, dass ich ja von unserer Reise nach New York im Mai 2013 ein paar Zipp (und diverse Stoffe, aber das ist eine andere Geschichte) mitgebracht habe. Einen davon mit Zuziehring, genau für eine Tasche. Und die Länge passte perfekt. Und das Rot ist jetzt ein zusätzlicher Hingucker.

Tadaa, fertig! und bereits befüllt.
Alte und neue Tasche nochmal in trauter Zweisamkeit. Der alten sieht man die Jahre des Tragens inzwischen an. Und das Anstreifen an zumeist dunkler Kleidung hat auch Spuren hinterlassen, die auch mit Waschen nicht mehr ganz verschwinden. Ich fürchte nur, dem Leder der neuen wird man recht schnell Abriebspuren ansehen.
Zu meinem derzeitigen Lieblingssommerkleid passt sie auch perfekt 🙂

Ich bin jedenfalls total happy mit meiner neuen Tasche, sie begleitet mich bereits überall hin. So wie hier auf Besuch bei Freunden. Nur nicht ins Museum, da ist sie doch einen Ticken zu groß und wurde ins Schließfach verbannt.

  • Schnitt/Anleitung: Allesdrin von farbenmix, in der kleineren Variante
  • Material: 2 Häute Ziegenleder in Rotbuche (ich leihe mir die Farbbezeichnung von Rosy Green Wool, ist nämlich exakt die gleiche Farbe) vom Leder Schuster in Graz. Das alteingesessene Geschäft hat Ende Juni aus Altersgründen geschlossen, soll aber bald unter neuem Besitzer wieder öffnen. Futter ca. 50cm Baumwollpopeline, gekauft in der Stoffwerkstatt, Graz; Zipp mit Ringgleiter im Mai 2013 in NYC gekauft; kurzer Zipp für Innentasche vom Hirt in Graz; Metallteile inkl. Feststeller von Frau Tulpe
  • Kosten: ca. 90€
  • Werkzeug: Nähmaschine, Industrienähmaschine
  • Arbeitszeit: ca. 5 Stunden

Ein bisschen Nerd muss sein

Was ein echter Nähnerd ist, hat natürlich zur Handtasche auch die dazu passende Einkaufstasche. Damit meine ich einen Einkaufsbeutel, den ich für eventuelle Einkäufe in der Handtasche dabei habe. Beide nach meinem bewährten selbstgebastelten Schnitt. Die eine als Wendetasche, die zweite nur einlagig und deshalb noch kleiner zusammenlegbar.

Zuletzt ein bisschen Cat Content

Wer ständig neugierig nah dabei sein muss, muss dann auch schon mal als Trägerhalter herhalten 😉

16 Kommentare

  1. Wow, die Tasche ist toll geworden.
    Gut, dass es noch die Täschnerei gibt. Ich hab keine Ahnung, was ich gemacht hätte.
    Form und Größe könnten mir auch gefallen. Meine Tasche hat inzwischen ein paar Löcher. Ich schwanke noch zwischen reparieren und neu nähen.
    LG Silke

    • Ich war auch erstmal frustriert, weil ich mit dem Problem gar nicht gerechnet hatte. Aber dann habe ich recherchiert, und es gab die Täschnerei, sogar mit dem Fahrrad oder öffentlich gut erreichbar (immer ein Kriterium bei mir). Du scheinst auch eine Lieblingstasche zu haben, wenn du über reparieren nachdenkst. Das ist doch schön, und auch nachhaltig. Solltest du dich doch für neu nähen entscheiden, Allesdrin ist eine gute Wahl.
      Liebe Grüße, heike

  2. Deine neue Tasche ist wunderschön geworden, toll dass du sie aus echtem Leder genäht hast. Dankeschön auch fürs Zeigen der einzelnen Schritte. Ich spiele ja seit geraumer Zeit auch damit, mir eine Neue zu nähen. Das Schnittmuster habe ich auch schon mal in Betracht gezogen. Ich finde deine Variante einfach total hübsch. 😍
    Herzliche Grüße aus Heidelberg
    Annette

    • Danke liebe Annette. Das Leder war eine Herausforderung für mich, aber dann auch wieder stellenweise viel besser zu verarbeiten als befürchtet. Es gibt sicher auch bessere Methoden das Gleiten des Nähfusses zu verbessern. Jedenfalls mag ich das Leder, und die Farbe, und den Schnitt, und das Ergebnis sowieso 😊
      Liebe Grüße, heike

  3. Wow, die Taschen sind super geworden, so aufwändig und schön verarbeitet…. und vor allem die Ledertasche ist ein absoluter Hingucker, toll. Dazu die Einkaufsbeutel, damit bist du perfekt ausgerüstet.
    Hab ein feines Wochenende – lieben Gruß von Marita

    • Danke liebe Marita! Absolute Lieblingstasche inzwischen. Und wenn man für jede Handtasche einen passenden Beutel näht, hat man wenigstens eine Ausrede fürs Taschen nähen 😉
      Liebe Grüße, heike

  4. Also ich finde deine Tasche auch superschön. Und man hat immer eine Grosse Freude mit selbstgemachten täglichen Begleitern, die einen den Alltag verschönern, jeden Tag aufs Neue. Wieder eine vorbildliche Verarbeitung, obwohl Leder echt nicht einfach geht. Die Größe ist ideal. Mit den Innenfächern und der extra Tasche, genau passend dazu, auch total praktisch. Und die Farbe ist sowieso voll mega. Die macht jeden Tag zu etwas besonderen.
    LG Ingrid

    • Danke liebe Ingrid! Ich bin wirklich froh, dass sie endlich fertig ist. Weil sie mich nun fast überall hin begleitet 😊 Das Leder war tatsächlich eine Herausforderung zu verarbeiten, aber no Risk no fun 😉
      Liebe Grüße, heike

  5. Ist die schön geworden!
    Farbe, Form, Textur, alles!
    Da hat es sich doch gelohnt, hartnäckig zu bleiben, Wege zu finden, das bestimmt traumhafte Leser zu nähen. Ich finde ja auch, dass sich auf Leder dann die Gebrausspuren zeigen dürfen!
    Sie passt perfekt zu Dir. Und macht Dich bestimmt auch stolz.
    Bei mir müssen Handtaschen auch iR groß sein und werden quer umgehängt, immer schon. Ich brauche auch die Hände frei und viel Platz für alles Mögliche in ihnen. Und wegreißen lassen die sich auch nicht so schnell…
    Ganz sicher wird die neue Tasche auch viele Erinnerungen sammeln 🙂
    Liebe Grüße und guten Wochenstart
    Nina

    • Danke liebe Nina. Die Tasche ist schon ganz fleißig beim Erinnerungen sammeln, begleitet sie mich doch überall hin 😊
      Und ja, Leder darf Gebrauchsspuren haben.
      Liebe Grüße, heike

  6. So eine tolle Tasche! Aber Ziegenleder, dann auch noch in der richtigen Farbe ist was ganz Besonderes. Der Taschenschnitt sieht sehr gut aus, den werde ich mir mal merken. Vor ewigen Zeiten gab es einen ähnlichen, der unter uns Quilterinnen immer weitergereicht wurde, aber leider ohne Reißverschluß. Auf Dauer hat mir der sehr gefehlt. Und selbst einen RV reinzufriemeln habe ich keine Lust, das braucht zuviele Probeexemplare, damit es schön wird.
    Beim Transport der Nähmaschine hilft es oft den Nähfußdruck zu verstellen. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. LG Gabi

    • Diesen Schnitt hier könnte man auch ohne Zipp nähen, aber ich will bei meinen Taschen einen Verschluss haben. Und das einnähen ist ganz gut beschrieben in der Anleitung. Inzwischen hätte ich aber auch ohne Anleitung genug Übung. Ich habe ich Taschenschnitte schon nicht vorgesehene Zipp eingebaut. Nähfußdruck verstellen ist eine gute Option, allerdings leider nicht bei meiner Industriemaschine. Da würde das nämlich nur mit viel schrauben gehen, wenn überhaupt.
      Liebe Grüße, heike

  7. Liebe Heike,
    die Tasche ist fantastisch geworden. Bei den Bildern kriege ich gleich Lust, da mal drüberzustreichen. Das muss sich wirklich gut anfühlen. Mit der „Anstückelnaht“ ergibt sich eine sehr schöne Schmucknaht, die ganz besonders wirkt. Mit kleiner Tasche drin wäre es vermutlich auch hier etwas dicker geworden und dann doch wieder nicht so schön, obwohl ich auch Fan von solchen Zusatzfunktionalitäten bin. Umwerfende Farbe, die so richtig zu dir passt. Hast du nicht auch Strick-Tücher in diesen Farbtönen – wenn es denn mal herbstlich wird? Bei uns konzentriert sich das (hoch)sommerliche Wetter dieses Jahr auf ganz wenige Tage im August, die man dann umso mehr genießt.
    Ganz liebe Grüße und viele schöne Ausflüge mit dem neuen Schmuckstück!
    Astrid

    • Danke liebe Astrid 😊 Du liegst richtig, ich habe Schal und Haube und sogar einen Pullover in Rotbuche. Und auch mein Mantel hat die Farbe im Karo. Fehlen nur noch die passenden Schuhe oder Stiefel 😉 Bei der momentanen Hitze mit immer noch über 30 Grad denke ich allerdings noch kaum an diese Bekleidung 😉
      Liebe Grüße, heike

  8. Liebe Heike,
    deine neue Tasche ist wunderschön, schick und dazu noch soo praktisch. Und dein Outfit im Sommerkleid mit passenden Schuhen, dieser Tasche, sowie mit Hut, ist klasse! Möge die Freude an deiner tollen Tasche lange anhalten!
    Liebe Grüße
    Ingrid

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