Im Mai drehte sich bei den Stoffspielereien alles um die Farbe Blau, da hätte dieser Beitrag hier gut dazu gepasst. Geplant hatten wir den Besuch bei der Blaudruckerei oder genauer Blaufärberei Koó im Burgenland eh bereits seit Ende September, denn da hatte ich den Ausflug mit Werkstattbesichtigung zum Geburtstag bekommen. Anfang Juni haben wir dann Nägel mit Köpfen gemacht und die Schwägerin hat einen Termin Samstag Vormittag organisiert. Und so sind wir zu fünft am 21. Juni nach Steinberg-Dörfl im Mittelburgenland gefahren und bekamen eine Führung durch Räumlichkeiten und Garten der Blaufärberei Koó mit ganz vielen Erläuterungen durch den Hausherrn Joseph Koó.
Die Färberei Josef Koó besteht seit 1921 an diesem Standort. Also genau so lange wie das Burgenland zu Österreich gehört. Der namensgleiche Großvater des heutigen Blaufärbers hatte damals in den hofseitigen Nebengebäuden eine Färberwerkstatt gegründet und eingerichtet. Auch heute noch sind die Räumlichkeiten und Gerätschaften genauso wie damals, und die Herstellung ist nach wie vor überwiegend Handarbeit. Der nunmehrige Blaufärber hatte bereits ein Leben als Graphiker in Wien aufgebaut, bis er sich mit Ende 40 entschied, den Betrieb von den Eltern zu übernehmen und mit seiner Frau, einer Künstlerin, wieder zurück ins Burgenland zog. Auch, um das Wissen und das Handwerk um die Blaufärberei nicht aussterben zu lassen. Denn die Färberei Koó ist die letzte Blaufärberei im Burgenland und eine von nur zwei verbliebenen in Österreich (die andere ist Blaudruck Wagner in Oberösterreich). Die Blaudruckfärberei in Gutau im Mühlviertel ist nur noch museal erhalten. In Ungarn, der Slowakei, Tschechien und auch in Deutschland (Niedersachsen, Thüringen und Bayern) gibt es noch ein paar wenige Betriebe. Ländergrenzenübergreifend wurde der Blaudruck in all diesen Ländern als gemeinsames Kulturgut 2018 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. (Nachzulesen auf Wikipedia, den Artikel zu Blaudruck habe ich neben der Koó-Homepage auch herangezogen, um querzuprüfen, ob ich mir alles richtig gemerkt hatte).
Der sog. Blaudruck ist eigentlich ein Färbeverfahren. Gedruckt wird schon auch, und zwar werden mit Modeln und einer Papp genannten Spezialmasse Muster auf Stoff gedruckt, der dann mit Indigo in mehreren Färbegängen Blau gefärbt wird. Es handelt sich also um ein Reservedruckverfahren, bei dem weiße Flächen ausgespart werden und das Gewebe aus Baumwolle oder Leinen Blau gefärbt wird. Blau gedruckt wird also strenggenommen nicht, trotzdem hat sich für die charakteristischen kräftig bis dunkelblauen Stoffe mit weißen Mustern die Bezeichnung Blaudruck eingebürgert.
Es war warm und sonnig, als wir zu unserer Führung um 11 Uhr ankamen. Die Sonnenschirme standen bereits seit der Führung vor uns, wir wussten die Geste und den Schatten auch zu schätzen. Hinter diesen Fenstern befindet sich die Färberei mit den Färbebottichen.Zu unserem Termin waren wir 5 die einzigen und bekammen eine sehr nette und informative Einführung in den Blaudruck und die Geschichte der Blaufärberei Koó durch Joseph Koó. Rechts sind bereits die mehrere Meter tiefen Färbebecken mit der Indigo-Küpe zu sehen. Die Küpe besteht hauptsächlich aus Wasser, pflanzlichem Indigo und Kalk und muss nicht nach jedem Färbevorgang ausgetauscht werden. Im Gegenteil, muss sie zwar immer wieder aufgefüllt, aber nur alle 20-25 Jahre komplett gewechselt werden. Unter anderem dann, wenn der am Boden ablagernde Kalk zu hoch wird.Von den 3 Färbebecken waren an diesem Tag 2 in Verwendung. Wenn die Färbezeit von etwa 10 Minuten vorbei ist, bimmelt ein Wecker und die Stoffe im Färbebad werden mit ihrer Konstruktion und einem Kettenzug hochgekurbelt. An der Wand sind weitere Sternreifen zu erkennen. Die Stoffe werden an Haken in die Sternreifen eingehängt (die Löcher am Rand sind ein Merkmal nach der alten Methode gefärbter Blaudrucke) und in die Küpe eingetaucht.Frisch aus dem Färbebad ist die Farbe der Stoffe eher gelbgrün und wechselt erst durch den Luftkontakt langsam zur blauen Farbe. Diese Stoffe hier hatten bereits mehrere Färbevorgänge hinter sich und waren schon etwas dunkler blau. Indogofärbung benötigt mehrere Färbevorgänge, um diese tiefblaue dunkle Farbe zu erreichen. Beim rechten, noch nicht ganz so dunklen kann man gut das durch den Papp aufgedruckte und somit reservierte Muster erkennen. Nach dem abgeschlossenen Färbevorgang wird der Papp wieder ausgewaschen.Der Farbstoff Indigo ist in mehreren unterschiedlichen Pflanzen enthalten. Der europäische Färberweid ist aufgrund der benötigten warmen Färbetemperatur nicht gut für das Reserveverfahren geeignet, japanischer und indischer Indigo haben hier durch die Kaltfärbung die Nase vorne. Weshalb der Blaudruck im Reservedruckverfahren, wie hier fabriziert, auch erst im Europa des späten 17. Jahrhunderts so wirklich aufkam und im 18. und frühen 19. Jahrhundert (vor der Industrialisierung und der Entdeckung der Indigosynthese 1880) seine Blütezeit hatte. Zumeist, wie auch hier, wird indischer Indigo verwendet, der vorverarbeitet in Klumpen gepresst geliefert wird.In einem anderen Raum werden die Model aufbewahrt, mit denen der Papp auf den Stoff gedruckt wird. Die genaue Zusammensetzung des Papp ist ein streng gehütetes Geheimnis der Färberfamilien, mehr als die Inhaltsstoffe Gummiarabicum und Tonerde bzw. Kaolin erfährt man selten. Eine traditionelle Blaudruckerei besitzt etwa 200-400 verschiedene Model. Nach dem Bedrucken mit Papp müssen die Stoffe erst etwa 4 Wochen trocknen bis zum nächsten Arbeitsschritt, dem Färben.Auch das Handwerk der Modelherstellung, der darauf spezialisierte Formenstecher oder Holzschneider, ist ein aussterbendes. Wichtig ist, dass die Model ganz flach aufliegen und sich nicht verziehen. Früher wurden die Model aus Buchsbaumholz hergestellt, im 19. Jahrhundert ging man dazu über, Messingstifte in Birnbaum- oder Lindenholz zu setzen und so die Muster zu generieren. Heute hergestellte Model werden meist dreischichtig verleimt, um das Verziehen noch mehr auszuschließen. Die Messingstifte haben auch den Vorteil, dass man sie bei kleinen Unebenheiten wieder etwas plan schleifen kann. In den Ecken der Model gibt es immer spezielle Markierstifte, um ein gleichmäßiges Ansetzen der Model zu gewährleisten.Etwas schneller geht das Bedrucken mit Papp mit Walzen und diesem Walzendruckgerät. Handarbeit ist es trotzdem noch. Hinten im Kasten die Walzen, rechts sieht man zur Anschauung eine noch ungefärbte, jedoch bereits mit Papp bedruckte Stoffrolle liegen.Nach dem Färbevorgang, dem Spülen, Kochen und Trocknen, wird der Stoff in die Mangel genommen. Ja, genau, daher kommt der Ausdruck. Die große Mangel ist der Holzkasten rechts, von dem man nur einen kleinen Teil sieht.Leider hingen im Garten, den wir natürlich auch sehen durften, gerade keine gefärbten Stoffbahnen auf den Leinen und Trockengestellen, deshalb gibt es auch kein Foto. Aber der Verkaufsraum mit seiner Vielfalt der angebotenen Produkte entschädigte dafür. Kleines Schmankerl am Rande: Ein Druck dieses ganz rechts oben erkennbaren Bildes der schlafenden Schönen mit den Engelchen hing auch bei meinen Großeltern und bestimmt auch in ganz vielen Haushalten nicht nur in der Oberpfalz und im Burgenland. Und nicht nur bei den Schlafzimmerbildern scheinen die Oberpfalz und das Burgenland gar nicht so weit auseinander zu sein, kenne ich den im Burgenland Fiata genannten Umbindeschurz doch als Fiadan (was soviel wie vorne dran heißt)Meterware gab es auch zu kaufen, und die Schwägerin und ich haben ein bisschen Erinnerungsstoff mit heim genommen. Übrigens gibt es bei Koó auch bedrucktes Leinen und doppelseitig mit unterschiedlichen Mustern bedruckte Baumwollstoffe.Ziemlich bekannt ist inzwischen dieses auch hier aufgestellte Bild der Tracht, die Susanne Bisovsky aus Blaudruckstoffen von Koó designt hat.
Und jetzt unkommentiert noch ein paar Impressionen:
Dieses Foto musste sein, schon alleine wegen meiner kleinen Serie an Sesselpaaren, die sich durch so etliche Monatsspaziergänge (vor allem drüben auf hm-unterwegs.eu) zieht.
Es war sehr lehrreich und sehr schön. Der Familie Koó danke ich für den netten Aufenthalt und die Führung, und meiner Schwägerin und dem dazugehörigen Schwager für das nette Geburtstagsgeschenk und den schönen Ausflug. Ein Ausflug übrigens, der davor und danach auch noch Schönes bot, davon jedoch ein andermal mehr.
Etwas Färben hat in diesem Fall das Ehepaar Koó übernommen, ich habe nur Farbiges in Form von Stoff mit nach Hause genommen, und mache dafür nun ein Kreuzchen beim BINGO! von antetanni.
2 Kommentare
Da war ich im ersten Moment irritiert und im Irrtum. Ich las „Blaudruck“ und nicht-färben. (Blaudruck ist nämlich etwas Besonderes aus dem Münsterland 😅 Kentrup)
Ein so schönes Geschenk, eine so schöne Führung.
Alleine das Hemd was der Herr anhat…
Danke, dass Du uns beim „blau machen“ mitgenommen hast.
Mit ganz lieben Grüßen
Nina
Die Technik ist die gleiche wie bei Kentrup, nur dass die nicht nur in Reservedrucktechnik arbeiten, sondern auch „normal“ und auch mit anderen Farben drucken. Während hier im Südosten tatsächlich nur Indigo verwendet wird. Es heißt hier auch Blaudruck. Die Hemden waren alle toll, nicht nur das, das er selbst anhatte. Der Beste hat trotzdem verweigert, ist ja nicht Schwarz und viel zu bunt. Habe mich beim Schreiben durch so einige noch verbliebene Blaudruckereien bzw. eigentlich Blaufärbereien gelesen und bin gerade sehr fasziniert und beeindruckt. Dank dir habe ich nun eine weitere gefunden. Und einer der allerletzten Formenstecher hat seine Werkstatt in Thüringen und bereits weit jenseits des Pensionsalters. Mir wird immer mehr bewusst, wieviel Wissen um alte Handwerkstechniken in den nächsten Jahren noch weiter verschwinden wird.
Liebe Grüße, heike
Da war ich im ersten Moment irritiert und im Irrtum. Ich las „Blaudruck“ und nicht-färben. (Blaudruck ist nämlich etwas Besonderes aus dem Münsterland 😅 Kentrup)
Ein so schönes Geschenk, eine so schöne Führung.
Alleine das Hemd was der Herr anhat…
Danke, dass Du uns beim „blau machen“ mitgenommen hast.
Mit ganz lieben Grüßen
Nina
Die Technik ist die gleiche wie bei Kentrup, nur dass die nicht nur in Reservedrucktechnik arbeiten, sondern auch „normal“ und auch mit anderen Farben drucken. Während hier im Südosten tatsächlich nur Indigo verwendet wird. Es heißt hier auch Blaudruck. Die Hemden waren alle toll, nicht nur das, das er selbst anhatte. Der Beste hat trotzdem verweigert, ist ja nicht Schwarz und viel zu bunt. Habe mich beim Schreiben durch so einige noch verbliebene Blaudruckereien bzw. eigentlich Blaufärbereien gelesen und bin gerade sehr fasziniert und beeindruckt. Dank dir habe ich nun eine weitere gefunden. Und einer der allerletzten Formenstecher hat seine Werkstatt in Thüringen und bereits weit jenseits des Pensionsalters. Mir wird immer mehr bewusst, wieviel Wissen um alte Handwerkstechniken in den nächsten Jahren noch weiter verschwinden wird.
Liebe Grüße, heike