Monatsspaziergang im März 2025

Ein Gespenst geht um, und es heißt Krieg. Auch in meinen Gedanken ist das Thema derzeit präsenter als es lange war. Und dass das Thema Bewaffneter Konflikt auch in der Vergangenheit immer sehr präsent war, davon gibt es auch noch zahlreiche Zeugnisse. Eines dieser Zeugnisse befindet sich in der Form des Landeszeughauses in der Grazer Herrengasse, direkt im Anschluss an das Landhaus. Und genau dorthin entführe ich euch zum Monatsspaziergang im März.

Das Landeszeughaus mit seinen etwa 32.000 Objekten gilt als größte erhaltene historische Waffenkammer der Welt. Es wurde in den Jahren 1642-44, in anderen Quellen bis 1647, nach Plänen von Antonio Solari erbaut. In einer Zeit mit kriegerischen Auseinandersetzungen mit ungarischen Rebellen und dem Osmanischen Reich wurde es als Depot und wichtigste Ausrüstungszentrale des südöstlichen Habsburgerreiches von den steirischen Landständen errichtet. 1749 geschlossen, blieb es im Ganzen erhalten und wurde 1892 dem Landesmuseum Joanneum eingegliedert. Zur Sammlungsgeschichte und dem Leitbild des Landeszeughauses kann man auf der Seite des Universalmuseum Joanneum nachlesen, auf Wikipedia gibt es auch noch ein bisschen Info.

Das Zeughaus umfasst 5 Stockwerke. Die Sammlung befindet sich in den Obergeschossen. Im Erdgeschoss sind Kassen, Garderobe und Sanitäranlagen untergebracht, außerdem die Infostelle von Graz Tourismus.

Die Führung, an der wir am 12. März teilnahmen, hatte aber ein anderes Thema. Ein nicht ganz so kriegerisches, eher im Zusammenhang mit dem gerade vergangenen Weltfrauentag am 8. März. Bei „Iron Women“ ging es um den Beitrag von Frauen zum Zeughaus. Die Archivalien belegen, dass dieser Beitrag höher war als man glaubt. Es waren erstaunlich viele Frauen, die als Schlosserinnen, Plattnerinnen und auch anderes dazu beitrugen, dass das Zeughaus heute so dasteht wie es dasteht. Und es war eine Frau, die es beinahe zerstört hätte. Denn nachdem der ursprüngliche Zweck des Landeszeughauses als Waffenkammer für die südöstlichen Landesgrenzen des Habsburgerreiches nach dem Abflauen der Türkengefahr und Ungarnaufstände quasi nicht mehr gegeben war, verfügte Kaiserin Maria Theresia 1749 eine Schließung und Auflösung des Zeughauses und die Verbringung der Waffen und Rüstungen nach Wien. Die Landstände konnten die Kaiserin jedoch davon überzeugen, dass es für die Steiermark einen großen ideellen Wert als „Denkmal der Geschichte des Landes“ hätte und das Zeughaus konnte als Gesamtensemble mit allem Inventar erhalten bleiben.

Türgriff an einem Torflügel des großen Eingangstors.

Und nun nehme ich euch mit auf eine kleine Reise durch das Landeszeughaus.

Mein Lieblingsvisier. Was aussieht wie Augenbrauen ist ein zu hohes Ansetzen der Augenöffnungen und nachträgliches Nachbessern. Irgendwie erinnert mich der Ausdruck an die Zeichentrick-Heidi meiner Kindheit, vermutlich wegen der Mundform.

Nicht dass hier jetzt ein falscher Eindruck entsteht. Ich mag Waffen eigentlich nicht besonders. Der Qualität des Handwerks und des grafischen Effekts der Ansammlung kann ich jedoch sehr wohl etwas abgewinnen. Und ich finde sehr wohl, dass man immer wieder daran erinnert werden sollte, wie schlimm bewaffneter Konflikt zu jeder Zeit war und ist und dass man ihn tunlichst vermeiden sollte.

Das Zeughaus hat nicht nur kriegerische Metallarbeiten zu bieten. Sondern auch durchaus qualitätvolle Metallarbeiten bei Beschlägen, Schlössern, Handläufen, Gittern, etc. Bei den Baurechnungen sind auch Frauen verzeichnet, unter anderem zwei Schlosserinnen. Wie bei den Plattnerinnen und Waffenschmieden war es zumeist so, dass die Witwen von Auftragnehmern für die Erfüllung des Solls ihres verstorbenen Mannes herangezogen wurden. Ob sie selbst für die Herstellung befähigt waren, oder eher Händlerinnen der Leistungen einer Werkstatt waren, die sie nach dem Tod des Mannes weiterführten, geht nicht immer klar hervor. Bei einer der beiden Schlosserinnen jedoch weiß man, dass sie von ihrem Vater in der Schlosserei ausgebildet wurde und wohl nach dem Tod des Ehemannes die Schlosserei weiterführte. Und für die Herstellung einger qualitätvoller Metallarbeiten am Zeughaus belegt ist. Unter anderem für die Handläufe und Geländer der Treppen und auch für die Beschläge einiger Türen. Zum Beispiel stammen die oberhalb gezeigten Beschläge der Tür zum Secret oder Heimlichkeit genannten Abtritt von ihr. Ihren Namen habe ich mir leider ebensowenig gemerkt wie die Namen der weiteren erwähnten Frauen bzw. weiß ich nur noch dass sie im Vornamen Elisabeth hieß.

Bei dieser Tür weiß ich es nicht, aufgrund der Ähnlichkeit mit obigem Beschlag und auch dem Schloss beim Secret (Foto aussortiert und nicht gezeigt) könnte es durchaus sein.
Eines der Prunkstücke der Ausstellung ist der Rossharnisch um 1510. Dieser gehört nicht zur ursprünglichen Ausstattung, ist jedoch bereits seit etwa Anfang des 19. Jahrhunderts in der Sammlung. Als Plattner ist Konrad Seusenhofer aus Innsbruck verzeichnet, die Verzierungen stammen von Daniel Hopfer, Ätzmaler aus Augsburg.
Details der Ätzarbeiten.

Die folgenden 3 Fotos entstammen nicht der derzeitigen Ausstellung, sondern wurden im Kulturhauptstadtjahr 2003 im Rahmen der Ausstellung „Rock und Rüstung, Frauenleben im Zeughaus“ aufgenommen. Bereits damals hat man sich also mit dem Thema Frauen im Zeughaus befasst. Wenn auch anders. Die Idee und Konzeption stammte von Birgit Hutter und Esther Geremus. Die Gewänder aus 4 Epochen und 4 möglichen Lebensphasen der Frau (Kindheit, Ehe, Schwangerschaft, Alter) sollten ein sinnliches Gegengewicht zum Tod, der von den Waffen und Rüstungen ausgeht, bilden. Dass nicht wenige Frauen durch ihrer Hände Arbeit zum Zeughaus beitrugen war damals kein Thema, oder zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Umso schöner, dass es nun archivalische Forschung und auch Sonderführungen zu diesem Thema gab.

Mit diesem Exkurs 22 Jahre zurück sind wir am Ende der Führung angelangt. Da das Museum bereits geschlossen hatte, wurden wir über die Nebentür zum kleinen Landhaushof hinaus gelassen. Und bekamen so auch mal wieder den schönen Landhaushof zu sehen.

Die Fassade des Zeughauses hin zum Landhaushof. Der Schriftzug „Farbe des Gespenstes, 233“ befindet sich zwischen Tor und Tür.
Und ein Teil des Arkadengangs des Landhauses. Das Landhaus selbst ist ebenfalls sehenswert, mehr gibt es aber hier und heute nicht zu sehen.
Ein letzter Blick von der Herrengasse auf die Schaufassade des Landeszeughauses, nun mit verschlossenem Tor.

Und die „Farbe des Gespenstes, 233“? Dieser Schriftzug befindet sich im Landhaushof an der Fassade des Zeughauses. Aufgefallen ist er mir bereits vor längerem, diesmal habe ich nachgeforscht, woher er stammt. Zum Künstler und wann und warum dieser Schriftzug angebracht wurde habe ich nichts gefunden, aber immerhin, woher das Zitat stammt. Es ist ein Auszug aus Punkt 233 von Ludwig Wittgensteins Bemerkungen über die Farben (eine digitale Reproduktion ist hier bei wittgensteinproject zu finden). Das gesamte Zitat lautet folgendermaßen:

233. Man könnte sagen, die Farbe des Gespenstes sei die, die ich auf der Palette mischen muß, um es genau abzumalen. Wie aber bestimmt man, was das genaue Bild ist?

Interessanterweise gibt es auch bei Goethes Farbenlehre unter Punkt 233 ein Gespenst zu finden, allerdings eine Art von durchsichtigem Gespenst, weshalb ein Foto des Schriftzugs im Internet auch mit Goethe verknüpft zu finden ist. Die Farbe des Gespenstes ist jedoch definitiv auf Wittgenstein zurückzuführen.

Mit diesem philosophischen Exkurs schließe ich diesen diesmal eher ungewöhnlichen Monatsspaziergang und bin gespannt, wohin euch diesmal euer Monatsspaziergang geführt hat.

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6 Kommentare

  1. Witzig: ein Wittgenstein- Zitat befindet sich auch in meinem gestrigen Post…Dieses Museum – da hätte mein Vater sich einschließen lassen und tagelang jedes Detail studiert. Da bin ich froh, dass das Kölner Zeughaus zuletzt nur noch das Stadtmuseum beherbergt hat. Faszinierend, dass auch Frauen involviert waren. Aber eigentlich nicht überraschend mehr, seit ich den Frauenleben durch die Jahrhunderte hinterherrecherchiere. Gefällig deine Architekturaufnahmen! Da merkt man die Fachfrau.
    Sonntagsgrüße!
    Astrid

    • Seit ich deinen Beitrag über die Iron Lady gelesen habe, muss ich immer wieder daran denken, wie oft wohl Frauen involviert waren oder anders gesehen werden sollten geschichtlich, man weiß es nur nicht, weil alles immer durch die männliche Geschichtsschreibung gelesen wird. Ging mir bei dieser Führung wieder so. Ich bin froh, dass recherchiert wurde und hoffe, dass es zu diesem Thema auch mehr als nur ein paar Sonderführungen für Joanneum Jahreskartenbesitzer geben wird. Eigentlich wollte ich auch auf deinen Beitrag zur Iron Lady verweisen und so ähnlich dazu schreiben. Bin gerade bei Freunden in Bamberg und habe den Text mit sehr wenig Zeit geschrieben und schlicht vergessen was ich mir zum Textaufbau notiert hatte. Ich denke ich hole das noch nach.
      Das Wittgenstein Zitat bei dir habe ich gesehen, musste schmunzeln, kommentieren habe ich noch nicht geschafft.
      Einen schönen Sonntag und liebe Grüße, heike

  2. Liebe Heike,
    das war wieder äußerst interessant! Unglaublich, wieviel Mühe und Kunstfertigkeit hinter allem steckt.
    Und schön, dass auch etwas über den Anteil von Frauen bekannt ist.
    Vielen Dank für‘s Teilen!
    Herzliche Grüße, Birgit

    • Es ist gut, dass auch mal über den Anteil von Frauen an bisher nicht mit ihnen in Verbindung gebrachten Tätigkeiten recherchiert wird. Und auch übermittelt wird. Die Kunstfertigkeit fasziniert mich bei Waffen immer wieder. Nicht beim Gebrauch, bei der Herstellung. Vielleicht noch interessant: Die meisten der Objekte wurden nie benutzt!
      Liebe Grüße, heike

  3. Das war interessant liebe Heike, ein geschichtlich informativer Rundgang, der auch optisch was hergibt.
    Die Kleider sind ja wunderschön, genau wie Dein Lieblingsvisier, das lächelt so schön, kann man da noch kriegerisch sein?
    Auch das Gebäude finde ich wunderbar. Ach, es gibt doch noch tolle alte Gebäude.
    Danke fürs Mitnehmen, schönen Sonntag und sonnige Grüße
    Nicole

    • Das Visier hat wirklich kaum mehr kriegerisches an sich. Und die meisten der Objekte kamen auch nie zum Einsatz, das Zeughaus ist also mehr ein Zeugnis der Handwerkskunst der damaligen Zeit. Mich fasziniert sehr, dass alles inklusive Gebäude in Einem erhalten ist. Das Gebäude ist zweckmäßig schlicht, bis auf die Fassade, und doch ganz besonders. Auch beim Lifteinbau und das Gebäude barrierefrei machen ist man sehr behutsam vorgegangen und hat das eigentliche Zeughaus nicht angetastet.
      Liebe Grüße, heike

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