Die slowenische Hauptstadt Ljubljana ist eine eher kleine Hauptstadt. Gerade einmal so groß wie Graz, auch gemessen an der Einwohnerzahl von nicht ganz 300.000. Auch sonst ähneln sich die beiden Städte, angefangen von der Vergangenheit als k.u.k. österreichische Provinzstädte und damit verbundener ähnlicher Architektur bis hin zu der Vielzahl an interessanten Museen. Was uns bereits bei unserem Besuch Ende Mai letzten Jahres und nun bei unserem Besuch Anfang Februar auch wieder etwas neidisch auf Ljubljana blicken ließ, war das Kreativcluster, das gerade östlich des Stadtzentrums an den Ufern der Ljubljanica am Entstehen zu sein scheint. Mit dem von Jože Plečnik gestalteten Stauwehr mittendrin, wurde zunächst eine ehemalige Zuckerfabrik in eine Galerie für Zeitgenössische Kunst und ein Stadtteilzentrum umgebaut. Einen Katzensprung stadteinwärts auf der gegenüberliegenden Flusseite wurde kürzlich ein Makerspace mit Werkstätten und Ateliers für Hobby und Gewerbe gleichermaßen in einer ehemaligen Fahrradfabrik eröffnet. Momentan wird direkt im Anschluss an die Cukrarna, die Zuckerfabrik, eine Gebäuderuine in ein Jugendzentrum verwandelt. Wieder mit sehr viel Platz für Kreativität. Gerade so etwas wie den Makerspace mit seinen Werkstätten und Ateliers nicht nur für Dauermieter hätten wir auch gerne in Graz. Oder gibt es so etwas bereits im Verborgenen, und wir haben es nur nicht mitbekommen?
Die Cukrarna, die Zuckerfabrik, habe ich bereits letzten Herbst vorgestellt. Was mich allerdings nicht daran hindert, neben ein paar wenigen Ausstellungsstücken der gerade laufenden Ausstellungen auch nochmal ein paar Ansichten der gelungenen Architektur zu zeigen.













Im Großen und Ganzen hat mich keine der aktuellen Ausstellungen wirklich angesprochen, leider. Einzig diesen letzten Collagen aus Fotos, denen konnte ich wirklich etwas abgewinnen.


Auch wenn es nicht so wirkt, die Ausstellungen waren gut besucht. Der 8. Februar, diesmal ein Samstag, ist ein Feiertag, und in allen Museen war freier Eintritt. Und die Einwohner von Ljubljana nutzten die Gelegenheit und das trockene und bisweilen sonnige Wetter. Auch unser nächster Punkt, das Center Rog, war gut besucht. Sehr gut sogar. In diesem Fall war es dem Umstand geschuldet, dass das noch nicht allzu lange eröffnete Kreativzentrum Tag der offenen Tür hatte. So kamen auch wir in die Gelegenheit, das Gebäude nicht nur wie beim letzten Mal von außen zu umrunden, sondern auch von innen zu sehen.

Das Center Rog ist ein Kreativzentrum, das in einem lange leerstehenden ehemaligen Fabrikgebäude errichtet wurde. Der Name Rog kommt dann auch von der Fahrradmarke, die ab dem Ende des 2. Weltkriegs im Gebäudekomplex hergestellt wurde. Die Geschichte des Gebäudes fing jedoch bereits Ende des 19. Jahrhunderts an. 1879 wurde ein 120m langes und etwa 8,5m breites Ziegelgebäude zur Herstellung von Lederwaren errichtet, das bereits 1882 um ein Stockwerk aufgestockt wurde. Unter einem neuen Besitzer, einem Lederhändler, wurde das Gebäude 1900 erweitert und modernisiert. Und zwar wurde es um einen dreigeschossigen Betonskelettbau mit großen Glasflächen für den natürlichen Lichteinfall ergänzt. Es war somit das erste Stahlbetongebäude Ljubljanas. Der namengebende Fahrrad- und Schreibmaschinenhersteller Rog zog mit seiner Fahrradproduktion nach 1945 ein und verblieb bis 1991. Danach wurde die Produktion aufgelassen und das Gebäude stand leer. Bis es um 2006 von mehreren Initiativen quasi besetzt wurde. Mit Duldung der Stadt als neuem Besitzer seit 2002. Die Ideenfindung und vor allem die Finanzierung für die Nachnutzung zog sich in die Länge. Erst 2019 wurde mit dem Umbau begonnen. Ausführlicher und mit ein paar historischen Fotos ergänzt kann man die Geschichte des Gebäudes auf der entsprechenden Seite des Center Rog nachlesen, auch meine Quelle für das hier geschriebene. Und auch der folgende Text, mit dem sich das Center Rog selbst beschreibt, stammt von der Webseite:
„Center Rog is a modern production space, designed for everyone who enjoys creating with their hands, regardless of their knowledge and age. The nine production labs, which are the heart of the house, provide a space for learning and using both traditional and modern digital technologies. Here, you can engage in concrete and tangible challenges – from repairing various objects to improving and creating new, innovative, and socially beneficial products. In Center Rog, there are also nineteen project studios and five residential apartments, in addition to a new branch of the Ljubljana City Library, Rog Library, a large exhibition and event hall, a café, bistro, and restaurant, as well as several shops with local products. In front of Center Rog is a large public park, and in comfortably equipped drop-in corners on all floors, you can rest, work, or socialize at any time.“
Die folgenden Fotos von außen entstanden bereits Ende Mai 2024.












Um all die Werkstätten und Möglichkeiten nutzen zu können, benötigt man eine Anmeldung und außerdem eine Mitgliedschaft. Die es als Tages-, Monats- oder Jahresmitgliedschaft gibt. Und mit der man bei diversen angebotenen Kursen zusätzlich Preisabzug bekommt. Die Jahresgebühr beträgt derzeit lediglich 15€/10€ ermäßigt. Soviel kostet in Graz die Jahresgebühr der Stadtbibliothek. Die es im Center Rog auch gibt, aber noch so viel mehr dazu zum gleichen Preis. Wie eine Keramikwerkstatt, eine Holzwerkstatt, eine Metallwerkstatt, eine Textilwerkstatt, eine Schmuckwerkstatt, und noch einiges mehr.
Nachdem nun allen Kreativen anderswo der Mund wässrig gemacht wurde und der Neidfaktor vermutlich kräftig angestiegen ist, belasse ich es für diesmal und freue mich mit den Einwohnern von Ljubljana über ihr neues Kreativzentrum. Ich bin gespannt, wie es sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.
Immer wieder beglückend zu lesen, dass Kultur und Kunst Räume ermöglicht werden zum Erschaffen und zum Schauen. Das liest sich wirklich gut und ich hoffe, dass diese Möglichkeit durch die Stadt und Förderer auf lange Zeit erhalten bleiben werden.
Die Möglichkeit von alten Insdustriebauten zur Umnutzung ist immer eine gute Lösung!
VG kaze
Es freut mich auch dass nicht nur Ausstellungsräume, noch dazu mit qualitätvoller Architektur, geschaffen werden, sondern eben auch Räume zum selbst tätig werden mit niederschwelligem Zugang. Im Oktober 2022 sind wir an der Baustelle vorbei gekommen und haben uns gefragt was da wohl entstehen wird. Und ich hoffe auch dass auf längere Sicht genügend Interesse und auch Fördermittel vorhanden sind, um dieses Zentrum in dieser hohen Qualität zu betreiben.
Industriebauten sind zwar nicht immer wirklich ansehnlich, aber öfter eben doch. Zumindest bieten sie zumeist viel Platz. Nicht immer ist es leicht, eine adäquate Neunutzung zu finden. In Graz entstanden in den ehemaligen Tackerwerken (Futtermittelproduktion) neben einer Boulderhalle teilweise auch von der Stadt vermietete Ateliers. Die sind allerdings sehr privat. Vergleichbares mit dem Center Rog gibt es leider nicht.
Liebe Grüße, heike
Hallo Heike,
lieben Dank für deinen informativen Post. Während bei uns viele der alten Industrieruinen abgerissen wurden, hat Ljubljana etwas Tolles geschaffen.
Beeindruckend und ich wünsche der Stadt, dass die Ateliers vollständig bezogen werden.
Liebe Grüße Birgit
Oft besteht ja kein Interesse, Bestehendes zu erhalten. Abgerissen ist schnell. Umbauen und Umnutzen erfordert mehr Engagement. Das Ergebnis in Ljubljana spricht für einen Erhalt. Schön finde ich auch, dass man eben nicht nur auf Ateliers vermieten setzt, sondern noch viel mehr Interessierten Möglichkeiten zum handwerklich und künstlerisch tätig werden bietet. Ich hoffe, dass die Finanzierung dann auch auf längere Zeit gesichert ist.
Liebe Grüße, heike
von solchen kreativen orten kann man hier in braunschweig (ca 260000 einwohner) nur träumen! ich hätte auch gern ein solches lichtdurchflutetes atelier, gerne mit flussblick 😉 und auch solch tolle angebote für diesen für alle zahlbaren jahresbeitrag.
ljubljana wird mir immer sympathischer! danke auch diesmal für den informativen und kreativen beitrag. das erste foto mit den kugeln gefällt mir schon mal sehr gut und vor der collage mit den vielen details in rosé hätte ich sicher lange davorgestanden.
liebe grüße von mano
Die Layering Ausstellung hätte dir vermutlich gefallen. Direkt hinter den Kugeln war eine Reihe alter Vogelkäfige an der Wand, mit allem möglichen drinnen arrangiert.
Ja, wir hätten dieses Angebot mit so tollen Werkstätten zur Benutzung gegen eine niedrige Jahresgebühr auch gerne in Graz. Leerstehendes Industriegebäude hätten wir bereits gefunden, Finanzierung fehlt noch 😉
Liebe Grüße, heike
wow
ich finde es super was da aus der alten Fabrik gemacht worden ist
Kreativschaffende haben es ja oft schwer passende Räume zu finden
so etwas hätte ich mir auch für unsere alte Brennerei denken können
inklusive Museumsraum mit den Brennkesseln ..nun ist alles weggerissen 🙁
liebe Grüße
Rosi
Ich war bereits letztes Jahr schon begeistert, was aus der Ruine der ehemaligen Zuckerfabrik entstanden ist (trotz nicht brauchbarer Geschosshöhen!). Von diesem Kreativzentrum in der ehemaligen Fahrradfabrik bin ich noch viel mehr begeistert. Vor allem auch, weil man relativ niederschwellig eine Vielzahl an Werkstätten nutzen kann. Das wäre wirklich auch etwas für die von dir vorgestellte Brennerei gewesen. Zu schade, dass man da viel abgebrochen hat, nur um vermutlich immer gleiche Investorenarchitektur hochzuziehen. Wohnraum wird benötigt, keine Frage. Aber leistbarer, und nicht solcher der einzig der finanziellen Wertschöpfung von Anlegern dient. Ich bin gespannt, was du weiterhin vom Brennereigelände berichten kannst.
Liebe Grüße, heike
ich glaube nicht dass dort Wohnungen entstehen denn es ist ein Gewerbegebiet
da werden wohl Geschäftshäuser entstehen
dabei steht in der Stadt schon viel leer
na.. ich lass mich mal überraschen
LG
Rosi