Zuckerfabrik in Schwarz-Weiß und Rot

Es ist schon ein Weilchen her, dass wir wieder mal in Ljubljana waren. 5 Monate, um genau zu sein. Denn es war im Mai, das Wochenende nach Pfingsten, als wir im Anschluss an ein paar schöne Tage in und um Bled (hier sind die Beiträge dazu zu finden, wenn wer nachlesen möchte) die Heimreise mit einer Übernachtung in Ljubljana verlängert haben. Den Monatsspaziergang mit Impressionen aus Ljubljana habe ich zeitnah geschafft, die anderen geplanten Beiträge dann nicht mehr. Irgendwas ist immer. Und bei mir offensichtlich viel zu viel bei zu wenig Zeit-zum-Bloggen. Oder ich brauche zu lange, um meine Beiträge zusammenzustellen. Verzettele ich mich doch immer in Hintergrundrecherchen zu den Themen und auch beim Fotos sichten und eh nur marginal bearbeiten. Wenn ich da die Fotos auch noch in punkto Helligkeit usw. nachbearbeiten würde… (kämen vielleicht noch bessere Fotos raus).

Wie auch immer, wir waren also von Samstag Mittag bis Sonntag frühen Nachmittag in Ljubljana. Und wenn wir schon da waren, wollte ich auch die zu einem Kulturzentrum umfunktionierte ehemalige Zuckerfabrik sehen, die mir kurz zuvor in dem einen oder anderen Architekturmedium begegnet war. Erfreulicherweise war das Objekt des Interesses am Fluss ganz nahe beim von Jože Plečnik gestalteten Stauwehr zu finden, so dass wir am Sonntag nach dem Frühstück einen schönen Spaziergang am Fluss entlang dorthin unternehmen konnten.

Da hinter dem Stauwehr von Jože Plečnik blitzt bereits der Giebel unseres Ziels hervor.
Der große helle Baukörper nach der Brücke (deren Geländer gerade mit Hochdruck wasserstrahlgesäubert wird, deshalb der Nebelfleck), das ist die kürzlich wieder zu neuem Leben erweckte ehemalige Zuckerfabrik. Die man wunderbar autofrei von der Innenstadt entlang dem Flussufer fußläufig erreichen kann. Sogar eine eigene Brückenebene nur für Fußgänger und Radfahrer gibt es unterhalb der Tangentialinnenstadtentlastungsstraße, die ganz nah zwischen den Gebäuden hindurchrauscht und mithilft, die Innenstadt autofrei zu halten.
Noch ein Blick auf den mächtigen, 85 Meter langen Baukörper.
Auch auf dieser Uferseite ist ein verkehrsberuhigter Bereich entstanden, den man auch wieder zu Fuß und mit dem Fahrrad durchqueren kann. Aus Sicherheitsgründen war dieser Uferstreifen ab den 1980er Jahren gesperrt.
Unter der Brücke ist nicht nur ein trockener Platz für allerlei Aktivitäten, auch der Haupteingang zum Kulturzentrum befindet sich dort. Wir machen aber erstmal eine Runde um das Gebäude.
Schauen beim Skateboarden zu.
Ganz schön weit muss man sich vom Gebäude entfernen, um den gesamten Baukörper aufs Foto zu bekommen. Hervorzuheben ist außerdem der breite Fuß- und Radweg durchs Gelände.
Obwohl das Volumen sehr groß ist, wurden die beiden Fluchtstiegen außen angebaut. Das Warum erschließt sich über das Innenraumkonzept, dazu weiter unten mehr.
In die Torflügel der Notausgänge sind die Buchstaben des Gebäudenamens C-U-K-R-A-R-N-A eingraviert.

Cukrarna, Zuckerfabrik, der Name verweist auf die erste Funktion des Baukörpers. 1828 relativ klein mit einem Zuckerkessel und 22 Arbeitern begonnen, wuchs die Zuckerfabrik zu einer der ersten und größten Fabriken Sloweniens wenn nicht sogar des damaligen Österreich-Ungarischen Kaiserreichs heran. Bis zum Brand 1858, bei dem nur die Außenmauern stehenblieben. Danach wurde der Komplex vom Besitzer nur notdürftig wieder benutzbar gemacht und vermietet, da Zucker inzwischen leichter und profitabler aus Zuckerrüben denn aus Zuckerrohr hergestellt wurde und er sich weitere Investitionen aufgrund seiner Schulden nicht mehr leisten konnte. Über Jahrzehnte diente das Gebäude als Militärbaracke und Behausung von Fabrikarbeitern. Und als Notunterkunft für die ärmere Bevölkerung nach dem großen Erdbeben 1895, bei dem sehr viel Bausubstanz zerstört wurde. In den 1920er Jahren Unterkunft und Treffpunkt einiger Dichter der slowenischen Moderne und deshalb von nationalem Interesse, verfiel das Gebäude immer mehr, bis schließlich in den 1960er Jahren ein Betretungsverbot verhängt wurde. Der Uferstreifen davor wurde aus Sicherheitsgründen in den 1980er Jahren gesperrt. Weniger wegen seiner baulichen Schönheit als wegen seiner Größe als herausragendes Industriedenkmal klassifiziert, verfiel das Gebäude weiter, bis es 2008 zusammen mit dem umgebenden Grundstück von der Stadt Ljubljana erworben wurde. Gleich im Anschluss wurde nach einer neuen Nutzung gesucht und ein internationaler Architekturwettbewerb ausgelobt.

Ein sehr großer Baukörper mit einem sehr großen Volumen, der über 318 Fenster, jedoch nur über 1,90 Meter Raumhöhe verfügte. Was macht man mit so einem Gebäude? Die für jegliche normale Nutzung nicht ausreichende Raumhöhe von 1,90 Meter war dann auch der Grund für den Vorschlag des siegreichen slowenischen Architekturbüros Spacelab, den Baukörper komplett zu entkernen. Das Bestandsmauerwerk wurde unterfangen und statisch ertüchtigt und die neuen Raumvolumen von der ebenfalls neuen Dachkonstruktion abgehängt. Die neuen Raumvolumen wurden jedoch so reduziert und so verteilt, dass das riesige Volumen des Komplexes im Innenraum noch gut spürbar ist.

Wer noch ein bisschen mehr zur Baukonstruktion wissen möchte, sei auf den kurzen aber feinen Artikel zur Galerija Cukrarna bei der Österreichischen Architekturdatenbank nextroom.at verwiesen. Grundrisse und wesentlich bessere Fotos als hier bei mir zusätzlich zum Text bietet der Artikel zum Kulturzentrum Cukrarna in der DBZ. Meine Hauptinfoquelle zur Zuckerfabrik selbst habe ich unter About us auf der Webseite von cukrarna.art gefunden.

Beim Eintreten ist die geplante Leere des Volumens noch nicht so wirklich wahrnehmbar. Vielmehr hat man aufgrund der Weitläufigkeit und des Blicks bis zur gegenüberliegenden Giebelwand ein bisschen das Empfinden, als wäre der Raum sehr niedrig.
Das ändert sich jedoch, sobald man weiter vordringt. Und bis nach oben ins Dachgebälk schauen kann.

Die Körper der Ausstellungs- und Seminarräume sind mit weißen perforierten Aluminiumplatten verkleidet und halten auf allen Seiten Abstand zu den mit einer Stahlbetoninnenschale verstärkten Bestandswänden ein.

Die Perforation der Verkleidungsplatten dient der Schallabsorption, zugleich verdecken die Platten die Elektroinstallation und können als Halterung für Beleuchtungsmittel wie Scheinwerfer dienen. Und eine künstlerisch-ästhetische Funktion haben sie außerdem.

Das Erdgeschoss ist bis auf den mittigen Körper mit dem Stiegenhaus, der das Stockwerk in eine Halle und einen Ausstellungsbereich trennt, komplett frei belassen. Die eigentlichen Ausstellungsräume befinden sich im 1. und 2. Obergeschoss. Im rechtwinklig angebauten Mittelrisalit befindet sich unten das zweigeschossige Café, darüber sind die Räumlichkeiten der Verwaltung situiert.

Vor den beiden Ausstellungsgeschossen erreicht man über das Stiegenhaus jedoch zunächst das Mezzanin, das die Bibliothek und einen Seminarraum beherbergt. Wobei die Bibliothek wie hier zu sehen offensichtlich auch für Seminare und Schulungen verwendet wird. Kunst an der Wand von Lia Perjovschi Keywords for today’s World… (After the Coronavirus Pandemic… Sociocultural Analysis – Draft)
Und im Gang eine kleine aber feine Kunstausstellung zum Thema Zuckerfabrik. Das Kunstwerk hier ist Teil des Werkes Slovene ‚Moderna‘ von Andrej Štular, ebenso das vom Beitragsfoto.
Die beiden Obergeschosse waren der derzeitigen Ausstellung Razsirjeni Vid/Extended Vision vorbehalten. Das jeweils aktuelle Ausstellungsprogramm ist hier zu finden.
Von innen sind die Kuben optimale Ausstellungsräume mit vielen ebenen Flächen zur Präsentation.
Die Rasterplatten sind nur in wenigen verglasten Gangbereichen direkt sichtbar.
Hier musste ich sogleich an Patchwork denken…
Und zwischendurch sehe ich immer wieder Rot…
Nach so viel Schwarz Weiß Rot war uns nach einem Kaffee. Also sogleich das zweistöckige Café im Hause angesteuert.

Ganz frisch angelesen könnte ich jetzt auch noch einiges zur hauptsächlichen Verwendung der 3 Farben Schwarz, Weiß und Rot in der Antike schwadronieren, aber wollen wir es mal nicht übertreiben mit diesem Beitrag, das Thema läuft nicht davon und findet sicher genausogut woanders einen Platz. Also wie war das mit dem Kaffee?

Noch schnell ein Foto von der pflanzlichen Deko machen,
den Kaffee haben wir dann im angenehmen Sonnenschein auf den Sitzstufen vor dem Café genossen.

Ich sehe Rot, und damit darf Teil 1 der kleinen Rotserie zum BINGO! von antetanni. Wie wenn ich es geahnt hätte, hatte ich außerdem passend meine rote Robinia Bluse an. Und rote Schnürsenkel 😉 Und wer sich jetzt verwundert fragt, wieso ihm/ihr dieser Innenraum und auch die Betonsitzstufen außen so bekannt vorkommen, sie durften bereits als Hintergrund für meine Walkjacke Thelma fungieren. Lange hat es gedauert, bis ich nun endlich auch den damals versprochenen Beitrag zum Kulturzentrum Cukrarna selbst endlich fertiggestellt habe. Naja, gut Ding braucht eben Weile…

6 Kommentare

    • Dachte ich mir auch. Nur waren die einzelnen Stockwerke ziemlich sicher in kleine Kämmerchen aufgeteilt, weil ja Unterkunft für viele Leute, da war es vermutlich nicht gar so drückend spürbar. Ein bisschen kann man es nun im Eingangsbreich spüren, wo der aufgehängte Raumkubus sehr weit nach unten hängt. Allerdings ist hier eine Raumhöhe von vermutlich 3,0 Meter vorhanden, das Gefühl, dass es sehr niedrig ist, kommt von der enormen Weite des Raumes. Spannend ist das Gebäude auf jeden Fall.
      Liebe Grüße, heike

  1. Ein Koloss. Soweit ich das beurteilen kann, ist der Umbau sehr gelungen. Egal, ob die Leute/Arbeiter früher im Schlafsaal oder in abgetrennten Kabine gelebt haben, man hat sich nun sehr an Weite und Struktur gehalten. Auch der moderne Ausstellungscharakter spiegelt das wieder.
    Aber es sind wenig Menschen dort
    Dein „ich sehe rot“ Bild gefällt besonders
    Und ja, wenn man bloggt, braucht das manchmal viel Zeit.
    Mit lieben Grüßen
    Nina

    • Ich finde ja, dass sich dieses riesige Volumen innen wie außen wiederspiegelt. Bei vielen großen Gebäuden merkt man bei den kleinteiligen Innenräumen diese Monumentalität gar nicht mehr. Deshalb schön, dass hier so viel Wert darauf gelegt wurde, dieses große Volumen auch innen spürbar zu machen. Und trotzdem Räume unterzubringen. Und diese gepunktete Struktur mag ich ja auch sehr. Und dann dieser Farbklecks mit Stiegenhaus Rot allover 🙂
      Mit 2 Blogs habe ich mir auch recht viel vorgenommen, und es wollen noch etliche Ausstellungsbesuche und auch Reisen ihre Würdigung bekommen…
      Liebe Grüße, heike

  2. „Tangentialinnenstadtentlastungsstraße“, so ein schönes neues Wort nehme ich aus deinem Beitrag mit, dazu so viele mir bislang unbekannte architektonische Fachbegriffe. Was für eine spannende Idee, die neuen Räume in ein Gestell einzuhängen. Das habe ich noch nie gehört. Wirklich interessant, was alles möglich ist. Danke für den architektonische und roten Einblick. Liebe Grüße, Gabi

    • Ich wusste nicht genau, wie ich sie benennen soll, die Straße, also habe ich ihre Beschreibung in einem Wort zusammengefasst. Vermutlich gibt es einen kürzeren Fachbegriff dafür, aber ich mag meine Wortneuschöpfung 😉 Um den Innenraum stützenfrei zu bekommen, braucht es manchmal ungewöhnliche Ideen. Wobei die Idee des Aufhängens so ungewöhnlich gar nicht ist. Schwingungsfrei im Mauerwerk verankert, haben auch von „Höhenangst“ geplagte kein Problem (Ist es Höhenangst, wenn man eher ein Problem mit einem Bewegen des Untergrunds in der Höhe als mit der Höhe selbst hat? Und man die Höhe des leeren Luftraums unterhalb im geschlossenen Raum gar nicht wahrnimmt? War jedenfalls nichts zu bemerken, fällt mir auch jetzt erst ein beim Schreiben dieses Kommentars). Das Ertüchtigen/Verstärken des Bestandsmauerwerks durch eine Innenschale aus Stahlbeton im Verbund mit dem Mauerwerk war jedenfalls statisch notwendig, das Bestandsmauerwerk hätte vermutlich noch nicht mal ein neues Dach ausgehalten.
      Das rote Stiegenhaus hat was, oder? Da sieht man buchstäblich Rot 😉
      Liebe Grüße, heike

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